Eine fiktive Geschichte über einen Angsthund und seine Begegnung mit Tellington TTouch
Es riecht nach Mülltonnen, heißen Steinen und dem kleinen Hund von nebenan, der schon wieder irgendwo gebellt hat. Ich bleibe stehen. Mein Frauchen sagt „Komm, Anton“, aber ich spüre, wie mein Bauch sich zusammenzieht. Da ist dieses Geräusch – ein lautes Rattern, schnell näher kommend. Fahrrad. Zwei Räder, ein Mensch obendrauf, und sie rauschen vorbei, so nah, dass der Wind meine Ohren bewegt.
Ich ducke mich. Mein Herz schlägt schnell. Mein Frauchen sagt: „Du bist heute wieder stur, hm?“
Ich weiß nicht, was stur ist. Ich weiß nur: Meine Beine wollen nicht vorwärts.
Sie zupft leicht an der Leine. Nicht fest. Nur so, wie sie es immer macht, wenn sie möchte, dass ich gehe. Ich ziehe die Rute ein. Da ist noch so ein Ding, das zischt und bimmelt. Noch ein Fahrrad? Oder war das ein Einkaufswagen? Ich weiß es nicht. Aber es ist laut.
Frauchen seufzt. „Na gut“, sagt sie, beugt sich runter und hebt mich hoch. Ich mag das nicht besonders, aber es ist besser als Laufen. Ihre Arme sind warm. Ich versuche, mich klein zu machen. Vielleicht sehen mich die Räder dann nicht.
Wir sind unterwegs in den Park. Ich rieche Gras. Menschen. Hunde. Und irgendwo weit weg – Bratwurst. Das beruhigt mich ein bisschen. Frauchen summt leise vor sich hin. Ich glaube, sie freut sich auf den Spaziergang. Ich nicht.
Ich hoffe nur, es kommt kein lautes Knallen. Oder ein Kind, das auf mich zurennt. Oder…
Dann sehe ich sie. Da vorne – auf der Wiese.
Menschen. Hunde. Aber anders. Sie bewegen sich langsam. Die Hunde tragen Bänder am Körper, und sie laufen über Stangen und um bunte Hütchen. Keiner bellt. Keiner zieht an der Leine. Es sieht ruhig aus.
Ich bleibe stehen. Ich weiß nicht warum, aber ich will das sehen.
Tellington TTouch Bodenarbeit
Ich weiß nicht genau, was mich anzieht. Vielleicht die Ruhe. Vielleicht, dass keiner schreit. Vielleicht, dass keiner direkt auf mich zukommt.
Mein Frauchen schaut auch. „Was machen die denn da?“ sagt sie. „Agility ist das aber nicht, oder? Ist ja ganz komisch.“
Ich gehe ein paar Schritte näher. Meine Nase zuckt. Ich rieche Leckerchen. Und irgendwie… Gelassenheit.
Eine Frau bemerkt uns. Sie hebt nicht die Stimme. Sie winkt auch nicht hektisch. Sie sagt einfach: „Hallo – haben Sie schon mal was von Tellington TTouch gehört?“
Mein Frauchen lacht ein bisschen verlegen. „Tellington was? Ich dachte, das ist was für Pferde.“
Die Frau kommt näher. Langsam. Sie redet mit meinem Frauchen – aber sie schaut auch mich an. Nicht aufdringlich. Sie guckt, wie ich gucke.
Und dann macht sie etwas, was noch nie ein fremder Mensch gemacht hat. Sie geht in die Hocke.
Ich bleibe stehen. Meine Muskeln sind gespannt, aber ich belle nicht. Ich will wissen, was jetzt kommt.
Ihre Hand bewegt sich. Langsam. Wie ein Blatt, das vom Baum fällt. Keine große Geste, kein „Na du Süßer?“ – einfach eine Berührung. Ganz sanft. Ein Kreis an meiner Schulter.
Ich zucke kurz. Aber ich bleibe.
Sie sagt zu meinem Frauchen: „Ich mache gerade einen TTouch – das ist eine bestimmte Art der Berührung. Das hilft Hunden, ihren Körper besser wahrzunehmen und Stress abzubauen. Gerade bei ängstlichen Hunden kann das richtig viel bewirken.“
Mein Frauchen sagt nichts. Ich glaube, sie ist überrascht. Ich auch.
Ich spüre etwas. Wärme? Oder… Ruhe? Mein Bauch fühlt sich ein kleines bisschen weicher an. Nur ein bisschen. Aber genug, um einen Schritt nach vorn zu machen.

Erste Schritte im Tellington TTouch Labyrinth
Die Frau redet ruhig weiter. Mein Frauchen nickt langsam. Ich merke, dass sie neugierig wird – so wie ich.
Dann passiert etwas Seltsames: Ich bekomme eine andere Leine. Nein – zwei. Eine an meinem Geschirr, eine zweite weiter vorne. Es fühlt sich nicht schlimm an. Kein Ziehen, kein Druck. Nur… anders.
Die Frau erklärt etwas, aber ich höre nicht richtig hin. Ich bin beschäftigt. Ich muss alles riechen. Boden. Gras. Die Stellen, wo andere Hunde waren. Und dann zeigt die Frau auf ein komisches Ding am Boden: Viele Linien aus Stangen, wie ein schmaler Weg, der sich windet.
Mein Frauchen nimmt die Leine anders in die Hand. Und wir gehen los.
Erst zögere ich. Dann setze ich einen Fuß vor den anderen. Die Linien auf dem Boden helfen mir. Ich weiß plötzlich, wo ich hintreten kann, ich gehe langsamer und kann atmen.
Neben uns steht die Frau. Sie sagt nichts. Nur ihre Augen schauen – nicht auf mein Frauchen, nicht auf mich, sondern auf uns beide zusammen.
Am Ende der Linien bleiben wir stehen. Ich schüttele mich. Es fühlt sich an wie… wie aufgewacht.
Mein Frauchen sagt: „Er ist viel ruhiger geworden. Irgendwie… aufmerksamer.“
Die Frau lächelt. Dann nimmt sie eine zweite Leine und sagt: „Wir gehen das nochmal zusammen. Jetzt mit Brieftaube.“
Ich weiß nicht, was eine Brieftaube ist. Aber ich gehe los. Und plötzlich – ist da jemand an meiner Seite. Nicht vorne, nicht hinten. Neben mir.
Es ist, als würde sie mir sagen: Du kannst dich auf mich verlassen. Ich zeige dir den Weg – aber du gehst ihn selbst.
Im Gespräch mit Antons Frauchen
Anton liegt im Schatten. Die Leine hängt locker. Seine Augen sind halb geschlossen, aber seine Ohren zucken noch, wenn ein Vogel raschelt oder ein Rad vorbeifährt.
Ich blicke zu seinem Frauchen. Sie sieht noch ein wenig verdutzt aus, aber auch erleichtert.
„Darf ich Sie was fragen?“, beginne ich leise.
Sie nickt.
„Was ist denn bisher so schwierig gewesen mit ihm?“
Sie seufzt. „Ach, wo fang ich an? Also… er ist kein schlimmer Hund. Wirklich nicht. Aber er hat einfach Angst vor allem. Geräuschen, fremden Menschen, vor allem was schnell ist. Und besonders Silvester… das war jedes Jahr der Super-GAU.“
Ich nicke. „Haben Sie eine Idee, warum das so ist? Kennen Sie seine Geschichte?“
„Ja, ziemlich genau sogar. Meine Tochter arbeitet mit Tierschutzhunden. Anton war einer von denen, die einfach gar nichts erlebt haben. Kein Missbrauch, kein Trauma – er war einfach im falschen Moment am falschen Ort. Ein Jahr lang in einem dunklen Stall. Keine Menschen, keine Reize. Einfach… Leere.“
Ich lasse das einen Moment wirken.
Für einen Angsthund ist Training manchmal zuviel
„Das nennt man Deprivation. Fehlt was in der Welpenzeit, fehlen oft für immer gewisse Grundlagen. Aber das Schöne ist: Manchmal können wir dem Körper helfen, das nachzuholen – nicht über Training, sondern über Erfahrung.“
Sie schaut mich fragend an.
„Viele Hunde wie Anton geraten bei Training in Stress. Selbst wenn es liebevoll gemeint ist – Kommandos, Erwartungen, Leine straff, Stimme fordernd… das alles ist zu viel. Und unter Stress lernt kein Lebewesen wirklich gut. Die Körperspannung steigt, das Denken wird eng.“
Sie nickt langsam.
„Und bei Tellington?“
Ich deute auf Anton, der sich jetzt lang ausstreckt und leise durch die Nase ausatmet.
„Bei Tellington helfen wir dem Nervensystem runterzufahren. Wir schaffen neue Erfahrungen mit dem eigenen Körper: Berührung, Balance, Bewegung. Ganz ohne Druck. So kann der Hund in sich selbst Sicherheit finden – nicht durch Kontrolle von außen.“
Eine Pause.
Dann sagt sie leise:
„Ich glaub, das war das erste Mal, dass er sich draußen hingelegt hat.“
Tellington TTouch: einfach zu erlernen
Ich frage sie: „Darf ich Ihnen was zeigen?“
Sie nickt.
Ich hole ein kleines Blatt Papier aus meiner Tasche – darauf eine gezeichnete Hand und ein paar einfache Schritte.
„Das hier ist ein TTouch. Eine besondere Art der Berührung. Sie beginnt immer in einem kleinen Kreis. Können Sie das mal an Ihrem eigenen Arm ausprobieren?“
Sie legt die Hand auf den Unterarm. Der Zeigefinger liegt locker, die Haut wird sanft bewegt. Kein Druck, nur Kontakt.
„Wie fühlt sich das an?“
„Wärmer irgendwie… weicher. Komisch – aber gut.“
Ich lächle. „Genau. Es geht nicht ums Streicheln. Es geht ums Spüren.“
Sie schaut zu Anton, der uns beobachtet. Die Rute liegt locker. Die Ohren sind nicht ganz nach hinten, aber auch nicht ganz vorne. Wach, aber offen.
„Wollen Sie’s mal bei ihm probieren?“
Sie zögert kurz – dann geht sie langsam zu ihm. Ich zeige ihr eine Stelle an der Schulter
Ihr Finger bewegt sich, ganz vorsichtig. Anton blinzelt. Und bleibt liegen.
Ich warte einen Moment, dann sage ich: „Wollen wir schauen, was er zu einem Körperband sagt?“
Ich hole ein weiches, elastisches Band hervor. Nichts Großes. Keine Schnallen, kein Klappern. Einfach Stoff.
Ich knie mich hin, zeige ihr, wie es geführt wird – locker um Brust und Bauch. Nicht fest, nicht einengend. Nur spürbar.
Anton steht auf. Er schüttelt sich nicht. Er bleibt.
Tellington TTouch Bodenarbeit mit Körperband
„Lassen Sie uns nochmal gemeinsam durchs Labyrinth gehen“, schlage ich vor. „Wie eben, mit Brieftaube. Aber diesmal mit dem Band.“
Sie nimmt die Leine, ich gehe an ihre Seite. Angsthund Anton geht mit.
Er tritt sicherer. Langsamer, aber nicht zögerlich. Wie jemand, der weiß, wo seine Pfoten sind.
Ich sage nichts mehr. Ich gehe einfach mit.
Wir kommen wieder am Rand der Wiese an. Anton bleibt noch kurz stehen, als wolle er fragen, ob da noch mehr kommt.
Ich knie mich hin, löse das Körperband langsam. Kein Ruck, kein Zug. Nur ein sanftes Abnehmen.
„Er hat das richtig gut gemacht“, sage ich.
Sein Frauchen lächelt. Es ist kein stolzes Lächeln – eher ein nachdenkliches. So, als hätte sie gerade etwas verstanden, das sie vorher noch nicht benennen konnte.
Ich reiche ihr eine kleine Visitenkarte.
„Wenn Sie möchten, finden Sie hier ein paar Infos. Es gibt auch einen Blogartikel zur Bodenarbeit, falls Sie das zu Hause mal ausprobieren wollen.“
Sie steckt die Karte ein. Anton schüttelt sich, ganz leicht. Dann setzt er sich neben sie.
„Ich würde Ihnen raten, sich mit ihm noch zehn Minuten eine ruhige Ecke zu suchen. Einfach sitzen. Nicht reden, nicht fordern. Nur da sein.“
Sie nickt.
„Und dann: ganz in Ruhe nach Hause. Heute ist viel passiert – innen mehr als außen.“
Ich sehe ihnen noch nach, wie sie sich langsam entfernen. Anton läuft nicht perfekt. Aber er läuft. Und das reicht.
Was Tellington TTouch wirklich verändert
TTouch ersetzt kein medizinisches Wissen. Es heilt keine Traumata über Nacht. Aber es schafft Verbindung, wo vorher Trennung war.
Anton hat gelernt, dass sein Körper ein sicherer Ort sein kann. Dass er Wahlmöglichkeiten hat. Dass er nicht ausgeliefert ist.
Anton:
„Mit TTouch hab ich gelernt, dass ich atmen kann. Dass ich lernen kann. Dass ich leben kann.“
Epilog – Was passiert, wenn du Tellington TTouch ignorierst?
Manchmal gehen Menschen nach Hause und sagen:
„Ja, war ganz nett. Ruhig. Interessant.“
Sie denken an die Kreise. An das Band. An den Weg durch die Bodenstangen.
Und dann passiert… nichts.
Der Alltag kommt. Die Berührung bleibt aus. Und das, was sich kurz geöffnet hat – dieses kleine Fenster der Veränderung – fällt wieder zu.
Bis zum nächsten Mal.
Wenn ein Hund nicht nur nervös ist, sondern richtig abstürzt.
Er ist nicht mehr ansprechbar, verkriecht sich, hechelt, zittert.
In solchen Momenten ist klar: Hier geht es nicht mehr um Erziehung – hier geht es um Überforderung, um Angst.
Und dann erinnern sich manche:
„Da war doch was… Mit Kreisen. Und Bändern. Und Ruhe.“
Manchmal melden sie sich dann wieder. Manchmal kommen sie zurück.
Und ich hoffe immer, dass es beim nächsten Mal nicht erst so schlimm werden muss, damit sie es wieder versuchen.
Denn ja – Tellington TTouch wirkt leise.
Aber was passiert, wenn du es ignorierst?
Vielleicht bleibt dein Hund allein mit etwas, das er nicht allein bewältigen kann.